15.10.2024
Aus meinem Buch „Mahlzeit. Geschichten von Europas Tischen“:
„Mama hat auf ihren langen Reisen durch die Wüsten des Internets das Sitz-Yoga für Senioren entdeckt und fand, dass sei eine schöne Betätigung, vor allem, wenn man keine Lust hatte, spazieren zu gehen und einem die Knie weh taten. Sie hatte zuvor gar nicht gewusst, dass man Sport machen konnte, ohne sich vom Stuhl zu erheben. Aber es ging.
„Das Wort ‚Yoga‘ bedeutete ursprünglich „Verbindung", erzählte die unglaublich schlanke und gelenkige Moderatorin der Yoga-Sendung. Folglich könne man sich auch mit dem Stuhl verbinden und trainieren. „Sie müssen versuchen, mit dem Stuhl eins zu werden“, erklärte die Dame. Sie konnte selbst sich tatsächlich mit dem Stuhl in extrem skurrilen Posen verbinden, und es gelang ihr, bei bestimmten Übungen buchstäblich mit dem Stuhl eins zu werden. Wobei man nicht mehr genau sehen konnte, wo der Stuhl endete und der Mensch begann.
Mama machte ihr alles nach. Sie probierte die „bucklige Katze", die „arrogante Kobra“ und den „herabschauenden Hund" und wurde von der Moderatorin ausdrücklich gelobt.
„Das hast du toll gemacht", freute sich die Moderatorin jedes Mal über die Fortschritte meiner Mutter. „Du hast heute Enormes geleistet! Du kannst dich umarmen!“
Am Anfang gab Mama sich tatsächlich Mühe. Natürlich klappten nicht alle Übungen gleich gut. Die Drehung in der Taille gestaltete sich problematisch. Sie funktionierte zwar, aber nur zusammen mit dem Stuhl. Bei der Übung „Adlerarme" wäre Mama beinahe zu Boden gegangen. Da waren die Senioren-Yoga-Erfinder vielleicht ein wenig übers Ziel hinausgeschossen.
Mama war mit den Adlerarmen überfordert und ging in die Küche, um sich eine Portion Meerkohl zu holen. Die Moderatorin hörte jedoch nicht auf, sie zu loben.
„Das hast du toll gemacht!“, sagte sie zu Mama, als die mit dem Essen aus der Küche zurückkam. „Du hast Großartiges geleistet!”
„Woher willst du wissen, was ich geleistet habe, du hast mich doch gar nicht gesehen?“, sagte sich Mama, blieb aber mit dem Teller auf ihrem Yogastuhl sitzen.“
Wer wissen will, was weiter passiert ist kann zu meiner Lesung kommen,
diese Woche am Donnerstag, Freitag und Samstag bin ich in Naumburg, Erfurt und Bad Salzungen ( am Ende der Welt)