12.05.2025
13. Juni 2025 Köln – Sancta Clara-Keller | Lesung Wladimir Kaminer und Konzert des Asasello Quartett: “Wir und die schöne neue Welt von Gestern” 20:00 Uhr
13. Juni 2025 Köln – Sancta Clara-Keller | Lesung Wladimir Kaminer und Konzert des Asasello Quartett: “Wir und die schöne neue Welt von Gestern” 20:00 Uhr
Während in Moskau auf dem Roten Platz die Soldaten aus 11 Ländern bedrohlich aufmarschierten und nordkoreanische Generäle mit Putin zusammen feierten, saßen wir in schönem Brandenburg und hörten uns eine Radiosendung über Maiglöckchen an. „In Frühling,“ sagte fröhliche Radiostimme „erwacht die Flora und Fauna aus ihrer Winterruhe. Die Pflanzen beginnen zu blühen und die Tiere kehren von ihrer Wanderung zurück“ Und wir, Menschen? Was machen wir in Frühling? Wir sind ja auch Fauna, die ihre Flora aufgefressen und begonnen hat, sich selbst zu vernichten. Wir kennen keine Winterruhe und kein Frühlingserwachen mehr, es wird Tag und Nacht marschiert, vorwärts ins Ungewisse. Der frisch geschlüpfte Bundeskanzler flog sofort nach Kiew und hatte von dort gemeinsam mit europäischen Kollegen aus der „Koalition der Willigen“ eine 30-tägige Feuerpause von den Russen verlangt. Die Russen reagierten verachtend und lehnten ab. Die Militärparade am Roten Platz wurde in Moskau als sehr gelungen gewertet, Vertreter aus 29 Ländern waren anwesend, sogar zwei europäische Oberhäupter sind als Putins slowakisch-serbischer Zweisitzer in Moskau gelandet Die Welt ist auf unserer Seite, sagte der russische Regierungssprecher, es wird brav weitermarschiert. Einen Tag vor der Militärparade rief die Schwiegermutter aus dem Nordkaukasus an: „Bei uns im Fernsehen haben sie Selenskyj gezeigt, er drohte damit, den Roten Platz während der Parade zu sprengen. Ist es nicht ungerecht? Dort auf der Tribüne stehen doch unschuldige Menschen!“
„Es wäre nicht schlecht, diese konkrete Tribüne zu sprengen, wird aber nicht passieren“ dachte ich insgeheim und stimmte der Schwiegermutter zu.
Die große Ungerechtigkeit jedes Krieges ist, dass die Unschuldigen als Ersten draufgehen. Für die Kriegstreiber ist es wie beim Russisch Roulette, man kann in diesem Spiel gar nicht verlieren: Entweder gewinnt man oder es ist niemand mehr da, von dem man die Spielschulden verlangen konnte. Ich musste die Schwiegermutter beruhigen, ihr sagen, dass Selenskyj übertreibt. Moskau hatte sich auf die Feiertage gut vorbereitet, die Luftabwehr aus dem ganzen Land in die Hauptstadt verlegt. Außerdem hatten die Russen etwas Besseres als Raketenabwehr, sie hatten den Genossen Xi auf der Festbühne, den Herrscher der östlichen Himmelssphäre und Xi ist zur Zeit der beste Schutz gegen alle Lufteingriffe. Solange er dasteht, wird nicht geschossen. Es ist nämlich längst ein offenes Geheimnis, der schlaue Chinese liefert verlässlich Waffen an beide Kriegsparteien, er verkauft an Russen und an die Ukrainer. Seine Lieferungen sind nicht von irgendwelchen Sanktionen, Launen des amerikanischen Präsidenten oder europäischen Wahlergebnissen abhängig, er ist zuverlässig, zurückhaltend und leistet seinen „Partnern“ gerne palliative Hilfe zum angemessenem Preis.
Deswegen war es für Moskau von großer Bedeutung, dass Xi gleich für vier Nächte in Moskau gebucht hat, es war der längste Besuch eines chinesischen Generalsekretärs in russischem Ausland. Während der Militärparade stand er wie „Primus inter pares“ in einer langen Reihe Staatoberhäupter, die wir nach dem Gespräch mit der Schwiegermutter „Koalition der Unschuldigen“ nannten: Die Staatschefs von Laos und Eritrea, Guinee Bissau, Venezuela und Turkmenistan, Ägypten und Belarus, mit einem Wort alle, die bei Putin in der Kreide stehen oder ihre Loyalität bei dieser Gelegenheit monetisieren wollten, ihre Anwesenheit wurde hochgeschätzt. So hatte Kuba, die Heimat des karibischen Sozialismus, von Putin einen Check für eine Milliarde Dollar erhalten, immerhin 2% des kubanischen BIP für eine Stunde Parade stehen, kein schlechtes Deal für die Insel der Freiheit, das hätte Trump sicher auch gemacht. Was wirklich schade war, neben den „Unschuldigen“ saßen auch echte Veteranen auf der Tribüne und ließen sich für unrechte Sache instrumentalisieren, obwohl die mittlere Lebenserwartung für Männer in Russland bei 67 Jahren liegt und der jüngste Veteran um die hundert Jahre alt sein müsste. Eine Volksweisheit besagt, dass Menschen, die viel erlebt und gelitten haben, ein langes Leben bekommen, damit sie den nächsten Generationen vom Schrecken des Krieges berichten, sie warnen können. Und obwohl diese Menschen im Kreml heute benutzt werden, um den russischen Angriffskrieg in der Ukraine zu rechtfertigen, bringen sie ihre Botschaft durch ihre bloße Anwesenheit weiter: Das Leben ist besser als der Tod, Frieden soll der Normaltzustand der Menschen sein und nicht der Krieg. Es waren drei Veteranen auf der Bühne zu sehen, alles Männer. Die berühmteste Veteranin des Zweiten Weltkrieges, Maria Limanskaja, die Militärpolizistin, die 1945 den Verkehr vor dem Brandenburger Tor regelte, war im November letzten Jahres hundertjährig gestorben. Sie hat es bis zum jetzigen Frühling nicht geschafft, der uns am Hacken hat. Während nämlich ein Teil der Fauna aus dem Winterschlaf erwacht, beschießt ein anderer Teil der Fauna die Nachbarn mit Drohnen und Raketen und droht, die Welt zu vernichten. Wer rettet nun den Planeten? Die Unschuldigen? Die Willigen? Der Papst?
100 Tage Trump.
Nachrichten aus Amerika muten an wie ein schlechtes Provinztheater, ausrangierte Schauspieler torkeln auf der Bühne und geben mit künstlichen Stimmen „Kabale und Liebe“ in einfacher Sprache. Eine geheime Liebesbeziehung zwischen dem Amerikaner und dem Russen, die sie nicht öffentlich preisgeben dürfen. Die Zuschauer fragen sich, warum schauen wir uns das überhaupt an? Doch die politische Theateradministration hatte vorsorglich die Türen von außen verschlossen. Wir sind dem Theater ausgeliefert und müssen es bis zum Ende ertragen, warten bis Luischen ihre vergiftete Limonade endlich trinkt. Hundert Tage des neuen alten amerikanischen Präsidenten im Amt werden gerade in allen Ländern der Welt kontrovers diskutiert und besprochen. Waren sie ein Erfolg oder eine Niederlage? Ist Amerika mit dem MAGA Projekt zumindest in seinen eigenen Augen greater geworden? In Europa würde ein ähnliches Projekt „MEGA“ heißen, „Make Europa Great Again“. Leider ist diese Abkürzung hier bereits besetzt, „MEGA“ steht im Deutschen für Marx-Engels Gesamtausgabe, sie wird im Online Buchhandel in digitaler Form für 444,00 angeboten. Aber zurück zu Trump. Seine 100 Tage sind nicht eindeutig zu bewerten. Viele Projekte sind ins Wasser gefallen oder hängen noch in der Luft. Kanada ist noch immer nicht zum amerikanischen Staat geworden, Grönland macht einen auf toten Käfer und möchte in Vergessenheit geraten.
Für den Golfplatz im Gaza Streifen hat sich kein einziger Inverstor gemeldet und der Krieg in der Ukraine geht weiter, das Land will nicht vor den Russen kapitulieren. Mit den Russen ist nicht zu spaßen.
Auf eine schwer nachvollziehbare Art hat der große Mann Trump Angst vor dem kleinen Mann Putin, er will ihm nicht weh tun, obwohl er alle Mittel dazu in der Hand hat. Aber nein, Trump spielt auf Putins Seite, er bringt im Namen des russischen Präsidenten merkwürdige Friedensangebote aus Moskau in die Ukraine: Einmal sagte Putin ihm, er sei bereit auf die ukrainischen Gebiete zu verzichten, die er nicht erobert hat, unter der Voraussetzung, dass die Ukrainer kapitulieren. Bloß wie kann man auf etwas verzichten, was man nicht hat? Genauso gut könnte Putin auf Lichtenstein oder auf Australien verzichten, die er auch nicht hat. Ein andermal bringt Trump die fröhliche Botschaft aus Moskau mit, sie könnten sich vorstellen, der Ukraine nach dem Ende des Krieges eine kleine Armee und eine geringe Waffenproduktion zu erlauben. Doch die Ukraine hat schon eine Armee, groß genug um die Russen seit drei Jahren im Zaum zu halten, und eine eigene Waffenproduktion, die diese Armee unterstützt. Sie braucht dafür keine Erlaubnis aus dem Kreml. Die Friedensanstrengungen Trumps sind bis jetzt ins Leere gelaufen. Es war aber nicht alles schlecht in hundert Tagen Trumps. Bei der Aneignung des Panama Kanals ist das letzte Wort noch nicht gesprochen, so wie bei seinem Kampf für die Schließung der Harvard Universität.
Ein klarer Erfolg seiner Präsidentschaft war dagegen die Abschaffung der nachhaltigen Papierstrohalme, die sich im Glas nach zwei Minuten auflösten, sich in eine nasse Serviette verwandelten und der Bevölkerung unsäglich auf den Geist gingen.
Das andere Hassobjekt, die befestigten Deckel an den Plastikflaschen, die nicht nur Amerikaner weltweit beinahe um den Verstand brachten. Sie werden von dem Präsidenten ebenfalls hart bekämpft, es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie endgültig abreißen.
Und das wichtigste zuletzt: Sein Wahlversprechen, die geheimen Akten der CIA über Kontakte mit Außerirdischen für die Öffentlichkeit freizugeben. Das wurde tatsächlich eingelöst, ein großer Schritt für die Menschheit, jetzt wissen wir Bescheid.
Wir wissen, womit die CIA-Agenten jahrzehntelang beschäftigt waren. Sie haben sowjetische Zeitungen studiert und die wichtigsten Artikel rausgeschnitten, zum Beispiel solche, die über Kontakte mit Außerirdischen berichteten. In der Sowjetunion hat man nie ein Geheimnis daraus gemacht.
So wurde in der Armeezeitung „Roter Stern“ 1975 ein Vorfall beschrieben, in dem eine Gruppe von KGB-Offizieren unweit von Leningrad auf Außerirdische traf, die in Form einer glitschigen Masse aus einem unbekannten Objekt rausflossen. Durch Kontakt mit der glitschigen Masse versteinerten 23 Offiziere des Staatssicherheit und mussten später aus Sicherheitsgründen entsorgt werden. Einer aber überlebte. Das Foto des Glückspilzes wurde in den Archiven der CIA geschwärzt, doch möglich wäre es, dass es sich bei diesem Überlebenden um Putin handelte. Der russische Präsident war damals 23 Jahre alt und als junger KGB-Offizier für Kontakte mit Ausländern zuständig. Es ist auf jeden Fall nicht auszuschließen, dass er beim Einsatz mit den Außerirdischen dabei sein konnte. Das würde erklären, warum Trump eine solche Angst vor dem russischen Präsidenten hat. Er glaubt, dass Putin durch den Kontakt mit dem glitschigen Schleim übernatürliche Kräfte entwickelte und alle Gedanken des amerikanischen Kollegen lesen kann, noch bevor diese Gedanken in seinem Kopf zu reifen beginnen. Deswegen verbietet sich Trump zu denken, was ihm nicht leicht fällt, denn eigentlich hat er noch einiges vor und viele Präsidententage vor sich. Es gibt viel zu tun. Wie der verstorbene Papst einmal sagte, „Verschwendet Eure Zeit nicht damit, der Sünde der Trübseligkeit zu verfallen, wo es doch so viele andere lustigeren Sünden gibt.“
Wladimir Lenin hat heute Geburtstag (155 j.jung) Seine in Russland überall stehenden Denkmäler sorgen dafür, dass auch die Jugend ihn schätzt und kennt.
Zum 80. Jubiläum der Schlacht um Seelower Höhen
Damals hat die rote Armee ihr Land verteidigt und Europa vom Nationalsozialismus befreit. Heute hat die russische Armee ein Nachbarland angegriffen, das keinen Krieg gegen Russland führen wollte, für diesen Angriff werden sich die nächsten Generationen schämen.
Nach geltendem Völkerrecht ist der Angriffskrieg moralisch nicht vertretbar. Nur haben die Staaten kein Leben nach dem Tod, sie müssen sich nicht vorm Letzten Gericht fürchten und agieren deswegen jenseits jeglicher Moral. Die Staatsmänner seien von daher nicht nach moralischen Maßstäben zu beurteilen - dieser Spruch ist eine alte, durch die Zeit wandernde Floskel mit erstaunlicher Lebensdauer, er wird mal Machiavelli, mal dem Kardinal Richelieu und mal Kissinger zugeschrieben. Die heutigen Staatslenker, die mit unserer Welt Golf spielen, hätten diesen Spruch auch bringen können, allen voran die beiden: der nach eigener Aussage von seinen Handelspartnern in den Arsch geküsste amerikanische Präsident und sein vom Kriegsgott geküsster russische Amtskollege. Die Friedensverhandlungen sind gescheitert, über eine Feuerpause wird nicht mehr gesprochen, der Fleischwolf des gegenseitigen Abschlachtens dreht sich weiter. Unzählige Militärexperten berichten auf beiden Seiten täglich von Kämpfen, an der über tausend Kilometer sich erstreckenden Frontlinie entlang. Es wird hauptsächlich um ein sogenanntes „Häuschen des Försters“ gekämpft, wie die russischen Kriegsberichterstatter die Dörfer bezeichnen, deren Namen niemandem etwas sagen und noch dazu schwer auszusprechen sind. Auf beiden Seiten fehlen die Soldaten. Ab 1. April hat in Russland die planmäßige Einberufung begonnen, die Altersgrenze wurde etwas nach oben korrigiert, es werden nun alle wehrpflichtigen Männer bis 30 Jahre einberufen. Früher war mit 27 Jahren Schluss. Offiziell dürfen die Neueinberufenen nicht gleich an die Front geschickt werden, sie müssen zuerst eine Einwilligung unterschreiben. Dafür werden sie aber in den Kasernen mit sehr überzeugenden Argumenten konfrontiert. Für kurze Zeit hatte sich im März die Bereitschaft der Bürger, gegen Bezahlung den Armeekontrakt zu unterschreiben, beinahe verdoppelt. Wegen den Scheinfriedensverhandlungen hatten viele gedacht, dass der Krieg kurz vor seinem Ende steht. In ihren Augen war dadurch die Wahrscheinlichkeit bald reich und gesund zurückzukommen höher geworden, doch sie haben sich geirrt.
Die russische Armee ist eine Angriffsarmee, laut einer alten Kriegsregel verlieren die Angreifer drei bis viermal mehr als die Verteidiger. Die Vermutung liegt nahe: Die über hunderttausend identifizierten Namen der bereits getöteten russischen Soldaten sind nur ein kleiner Teil der tatsächlichen Verluste. Aktuell ist die Kriegslust in der Bevölkerung trotz patriotischer Propaganda wieder gesunken. Auch die Einberufung läuft nicht so wie gedacht. Die Männer bis 30 verstecken sich. Der April hat mit Razzien in Clubs und Fitnesszentren begonnen. Und das in den Großstädten, in Moskau und St. Petersburg, deren Bewohner bis jetzt vor solchen Aktionen verschont blieben. Auch in der Ukraine werden die Heimatverteidiger rar. Meine FreundInnen in Odessa am Schwarzen Meer erzählen, die Männer seien aus dem Stadtbild verschwunden. Tagsüber verstecken sie sich Zuhause und nachts ist Ausgangssperre. Es gibt einige wenige Lokale, erzählte mir eine Freundin, wo Männer zum Essen hinkommen, es seien wohl die Läden, die einen privatwirtschaftlichen Pakt mit den Einberufungsbrigaden geschlossen haben, die mit Bussen durch die Stadt fahren und Ausschau nach Männern halten. Man sieht tagsüber nur Frauen und sehr alte Menschen auf der Straße. In der Ukraine können Männer bis zum Alter von 60 eingezogen werden, eine Erhöhung auf 70 Jahre wird im Parlament diskutiert. Diese Entscheidung soll von der körperlichen Fitness jedes einzelnen abhängen, schreibt dazu die Pressestelle. „Viele Siebzigjährige sind gut in Form und können ihren Dienst für die Armee leisten“. Selbst nach drei Kriegsjahren staunen die Beobachter über sogenannte russische „Fleischstürme“, sinnlose direkte Angriffe aus ungünstiger Position heraus mit zahlreichen Verlusten, eine Taktik, die aus dem Zweiten Weltkrieg bekannt ist.
Exakt vor achtzig Jahren fand die letzte große Schlacht des letzten Weltkrieges statt, die Schlacht um die Seelower Höhen. Die rote Armee stand am Oderbruch, 70 Kilometer von Berlin entfernt, das Naziregime hatte den Krieg bereits verloren, militärisch war es bedeutungslos, die Seelower Höhen zu stürmen. Doch der Fleischwolf des Militärs hatte seine eigene Logik, mehrere hunderttausend Rotarmisten fielen in den letzten Wochen des längst gewonnen Krieges. In der russischen Propaganda wurden diese Menschen unter dem Sammelbegriff „Der Unbekannte Soldat“ geehrt. Dabei waren diese Menschen, jeder von ihnen durchaus keine Unbekannten, sie hatten Familien, Freunde, ihre Liebsten. Einer von ihnen war mein Großvater. Er gilt als verschollen, hat nicht einmal ein Grab.
Trotz allem, sieht schon nach einem Frühling aus
Das Wunder der Empathie
Als George W. Bush 2008 Putin besuchte, wollte der Amerikaner die Ukraine in die NATO aufnehmen. Das war dem russischen Kollegen ein Dorn im Auge. Er wusste, wo Bushs Schwächen liegen, wusste von der besonderen Gläubigkeit des amerikanischen Präsidenten und schenkte ihm…ein Zinnkreuz. Aber nicht irgendeins, sondern einen Heilsbringer. In einem Brand, den er in seiner Kindheit erlebte, war alles in Flammen aufgegangen und nur dieses Kreuz, so erzählte Putin, sei unversehrt geblieben. Seitdem trage er das Kreuzchen als Glücksbringer und Schutzamulett, wollte es Bush jedoch schenken, weil der es nötiger habe. Der amerikanische Kollege war sichtlich berührt, was für ein feinfühliger Mensch, der KGBler! Er habe dem russischen Präsidenten „tief in die Augen gesehen und seine gute Seele entdeckt.“ sagte Bush danach. Heute glaubt die russische Führung die Ukraine zerstören zu können, wenn die amerikanischen Waffenlieferungen ausbleiben. Ein Kreuz für Trump sollte aber schon aus Gold und in Menschengröße sein. Für ihn hat Putin jedoch ein besseres Geschenk gefunden. Nicht umsonst schwärmte der Sondergesandte der Vereinigten Staaten Steve Witkoff von Putin nach seinem neuerlichen Moskau-Besuch. „Was für ein toller Kerl!“
Ihm hatte Putin erzählt, wie er nach dem Attentat auf Trump litt. Er konnte nicht schlafen, war in Sorge, als die Nachricht kam, dass Donald Trump angeschossen wurde. Putin ließ schnell seinen Porträt malen und in seiner Kirche mit Taufwasser einweihen, er betete für Trump. Und nun, sagte Putin, wolle er dem amerikanischen Präsidenten dieses Bild schenken. Der alte KGB-Hase wusste, was der amerikanische Präsident am meisten auf diesem Planeten schätzt und liebt, nämlich sich selbst. Herr Witkoff war derartig gerührt, dass er sogar die russische WiFi benutzte, um von Moskau aus an der inzwischen berühmt gewordenen „geheimen Sicherheitskonferenz der US-Regierung “ teilzunehmen. Jetzt sind die russischen Geheimdienste im Weißen Haus drin.
In den „praktischen Tipps zum Anwerben von Informanten“ stand übrigens noch, man solle sich nicht beleidigt zeigen, wenn das Geschenk nicht angenommen werde. Einfach weiter versuchen, den Trump übermalen und dem nächsten schenken, sollte es denn einen nächsten geben. Die alten Tipps funktionieren also noch. Tatsächlich, durch gespielte Empathie kann man die Menschen zu Entscheidungen bewegen, die ihnen selbst schaden. Zugegeben, nicht allen Menschen. Bei der sowjetischen Jugend hat es nicht funktioniert. Beim amerikanischen Präsidenten aber schon.
An diesem Wochenende starte ich eine neue Kariere als Birkenexperte.
Das Radio SWR hatte mich zum Thementag „Birke“ eingeladen. Im Grunde ist diese Expertise die Fortsetzung der „geheimnisvollen russischen Seele“, die ich seit meinem Ankommen in Deutschland vor 35 Jahren expertisiere. Und nun Birke. Tatsächlich war die Rolle des Birkensaftes in meiner Kindheit enorm, als ständige Vertretung für Fleisch, Käse und Butter türmten sich die Drei-Liter Gläser in den Vitrinen. Birkensaft war eines der drei Lebensmitteln, die eine tägliche Präsenz in den sozialistischen planwirtschaftlichen Lebensmittelläden meiner Heimatstadt Moskau hatten, neben den Fischkonserven „Strömlinge in Tomatensauce“ und sagenhaftem „Meereskohl in Marinade“ (böse Zungen meinten, es war geschnittene verkochte Pusteblume).
Wir waren also alle fast vegan. Die meisten Kinder hassten Birkensaft, sie wollten Cola trinken, meine Cousine mochte ihn sehr. Den Birkensaft (versüßtes Wasser) gab es auch im Wald für umsonst. Am 11. April, dem Birkentag, ging mein Vater mit den anderen Saftliebhaber in den Wald, „Birken lauschen“. An diesem Tag rauscht der Saft in der Birke und will raus. Der Baum wurde angeschnitten und der Saft in Behälter eingesammelt. Es war für die Männer ein Ersatz fürs Angeln, glaube ich.
Lustigerweise wurde mein Interview für SWR mehrmals unterbrochen, mein Brandenburger Nachbar Hans-Jürgen, hatte gerade Birkensaft auf seinem Grundstuck gesammelt und wollte mir einen Eimer davon geben. Es gibt also auch in Deutschland Liebhaber für dieses Getränk. Man kann auch den Birkenwein machen, wenn man ein wenig Hefe reintut.. würde ich aber nicht empfehlen. In Russland wird inzwischen sogar Kaffee mit Birkensaft angeboten, in drei Variationen auch ein Cocktail „Birkentränen“ wird gern getrunken.
Und nächste Woche Freitag besuche ich schwer erreichbare Orte Deutschlands, ich fliege nach Vöhrenbach, danach sind Freiburg, Ulm und Bensheim an der Reihe. Ich komme mit Geschichten über Menschen, ihre Mahlzeiten und ihre Tiere. Alle sind willkommen
Die Armeen auf beiden Seiten haben sich bis auf Äußerstes abgerieben, in der Ukraine, einem Land das fünf Mal weniger Bevölkerung als Russland hat, haben drei Viertel aller Haushalte inzwischen einen Familienmitglied zu beklagen, der im Krieg gefallen ist oder verletzt wurde, in Russland beziffert sich deren Anteil auf 15%. Ein Frieden wäre für die beiden Seiten dringend nötig. Doch wie gefährlich könnte ein plötzlicher Frieden für das russische Regime sein? Was ist mit den Rückkehrern? Etwa eine halbe Million Menschen kehrt von der Front zurück. Sie haben drei Jahre lang in einem fremden Land Menschen getötet. Die meisten sind aus den armen russischen Provinzen in die Ukraine gegangen. Werden sie sich benehmen, wenn sie zurück in ihre kleinen Heimaten kommen? Das Rückkehrerproblem ist nicht neu. Es wurde in einigen russischen und in unzähligen amerikanischen Actionfilmen thematisiert, bekannt als Rambo Komplex - Menschen, die aus der Hölle des Krieges zurückkommen und keine entsprechende Ehrung finden, leiden unter posttraumatischen Belastungsstörungen und sind besonders reizbar. Sie können wie Rambo eine Hyperaktivität entwickeln und die halbe Stadt in Schutt und Asche legen. Wenn John Rambo noch mit einem Riesenmesser durch die Stadt lief, würden die Rambos des aktuellen Krieges, viele von ihnen sind gut ausgebildete Drohnenführer, wahrscheinlich sich eine Drohne besorgen, die mit einer Granate in jedes Fensterchen reinfliegen kann. Sie könnten Fragen an die Regierung stellen, ob sich das ganze gelöhnt hat, angesichts der bescheidenen Eroberungen. Sie könnten aber auch depressiv werden, Die Selbstmordstatistik unter Vietnamveteranen in den USA glich einer Pandemie. Aus Erfahrung weiß man, dass unter posttraumatischen Verhaltensstörungen Leidenden nicht gern zum Arzt gehen, weil es sich für „echte Männer“ nicht gehört, mit Psycho-Klempner zu reden. Es werden bereits jetzt in Russland die Broschuren gedruckt und in den Haushalten verteilt, die einen Rückkehrer zu erwarten haben. Die Frauen werden darin unterrichtet, wie sie ihre vom Krieg beschädigte Männer empfangen sollen.
„Grüßen Sie ihren Mann nicht von hinten“ steht in den Broschuren
„Zeigen Sie ihm Respekt“ „Vermeiden Sie jeden Streit“ und „Tolerieren Sie den Wunsch ihres Mannes in Kleidung zu schlafen“. Gleichzeitig bekommt das Kulturministerium den Auftrag zur Heroisierung der Kriegsveteranen, ein Heldenepos muss möglichst breite Schichten der Bevölkerung ansprechen, damit keine unnötige Fragen aufkommen, wofür hunderttausend starben und noch mehr Menschen verletzt wurden. Es wird für die im Land verbliebenen Kulturschaffenden kein leichtes Brot sein, diesen sinnlosen Krieg und das Verhalten der russischen Okkupationsarmee in der Ukraine zu ehren, angesichts der großen Verluste und fragwürdigen Eroberungen, aber sie werden es sicher schaffen, der Tag des Sieges im Zweiten Weltkrieg wird Hilfe leisten, immerhin jährt sich dieser Sieg in Mai, 80 Jahre, das wird eine Orgie sondergleichen.
Das Land wird von einem patriotischem Propaganda-Tsunami überschwemmt, um den Rückkehrern das Gefühl zu geben, nicht umsonst in dem Nachbarland gekämpft zu haben. Doch kein Staat kann den richtigen Umgang mit Rambos. Schon damals als die Sowjets aus Afghanistan zurückzogen, haben die Rückkehrer, in einer unvergleichlich geringerer Zahl ( hundert mal weniger) eine tiefe Blutspur in der Kriminalstatistik des Landes hinterlassen und für viel Ärger gesorgt. Diesmal kann der Frieden für Russland noch blutiger werden.