Das russische Fernsehen hat gerade eine aufwändige Comedyserie über Joe Biden in Russland produziert, die Serie heißt „Goodbye“.
Ich spoile hier ein wenig, der Film wird sicher nicht in Deutschland gezeigt. Laut Drehbuch berät sich amerikanischer Präsident mit seiner CIA über die magische Widerstandfähigkeit der Russen. Er rafft nicht, warum sie trotz Sanktionen nicht nachgeben und wie sie überhaupt ohne amerikanische Exporte, ohne McDonalds und ohne Hollywood überleben können. Auf die einfachste Idee, dass Russland das reichste und größte Land der Welt ist, allen anderen Ländern und Völkern weit im Voraus, mit einer ungeheuer starken Wirtschaft, einem weisen Führer und eigenen Pelmeni, die besser als jede McDonalds-Ware schmecken, auf diese Idee kommen die Amerikaner im Film nicht, zu blöd.
Also beschließt Biden inkognito nach Russland zu fliegen, um herauszufinden, wie er den Russen ein für alle Mal den Garaus machen kann. Der US-Präsident wird von einem Schauspieler dargestellt, der davor fast nur Schurken und Banditen spielte. Für diese Rolle hat er riesengroße amerikanische Zähne bekommen und lacht die ganze Zeit. In Russland angekommen wird Biden von gastfreundlichen Menschen mit Wodka abgefüllt, verliert seine Papiere und gerät in Not. Denn niemand will ihm glauben, dass er amerikanischer Präsident ist. Die Rubel sind alle, Dollars sind verboten, also geht er in die Schule, um als Englischlehrer zu arbeiten. Langsam versteht Biden, was für herzensgute Übermenschen die Russen sind und entdeckt sogar bei sich eine russische Seele. Der Film wurde von „Gasprom Media“ finanziert, einem Konzern, der 80% seine Gewinne durch Putins Krieg verloren hat, er ist aber deswegen dem Führer nicht böse. Wenn die Russen über Biden abgelacht haben, wird Gasprom wohlmöglich noch eine Serie über Kamala Harris oder Donald Trump drehen. Nicht alle Schauspieler haben nach Beginn des Krieges das Land verlassen, ein paar schlaue sind noch geblieben, die sich für jeden Klamauk nicht zu schade sind. So weit, so lustig.
Das Ganze erinnert an den alten sowjetischen Witz, wie Generalsekretär Breschnew und Präsident Reagan sich treffen.
„Wir haben bei uns absolute Meinungsfreiheit“ sagt Reagan.
„Wir auch“ sagt Breschnew.
„Bei uns darf jeder auf die Straße gehen und laut sagen, er finde Reagan scheiße,“ sagt Reagan.
„Bei uns auch,“ sagt Breschnew.
Die Russen dürfen ihren Präsidenten nicht abwählen, sie dürfen ihn nicht beschimpfen oder seine kognitiven Fähigkeiten infrage stellen. Dafür aber dürfen sie über den amerikanischen lachen bis zum erbrechen, das entspannt.
30.08.2024
Mit meinem neuen Buch “Mahlzeit! Geschichten von Europas Tischen” mache ich ab nächste Woche eine kleine Lesereise, nach Gotha, Aue, Neuruppin, Schwerin, Wittenberge, Chemnitz und weiter. Die Termine stehen u.a. auf meiner Seite wladimirkaminer.de Es ist viel passiert, es gibt viel zu erzählen.
28.08.2024
Ostdeutschlands Unbehaglichkeiten
Eigentlich geht es uns gut. Brandenburg, Thüringen, Sachsen sind für mich die schönsten Ecken Deutschlands, hier gibt es mehr Birken als in Russland und die Sonnenblumen werden so groß wie Palmen. Im Herbst, wenn es genug geregnet hat, erwarten wir eine große Pilzernte: Steinpilze, Butterpilze, Maronen. Und die Landtagswahlen erwarten wir auch, allerdings mit Zittern. Mein Brandenburger Nachbar, der bei jeder Wahl immer gerne als Wahlhelfer im Wahllokal sitzt, erzählte, er würde genau wissen, wer im Dorf die AfD wählt. Das seien nämlich diejenigen, die ihre Wahlzettel nicht einmal sondern vier Mal knicken, damit niemand sehen kann, was sie angekreuzt haben. Das hat er mir vor acht Jahren erzählt. Heute schämt sich keiner mehr im Dorf, für die Alternative zu stimmen, sie scheint hier alternativlos zu sein. Die Plakate der AfD haben die alteingesessen Parteien von den Straßenlaternen verdrängt, nur selten lächelt Frau Wagenknecht mit ihrer frisch gegründeten BSW, sie wird in der Regel sehr tief, unter den AfD-Plakaten an die Lampen angebracht, man merkt, ihre HelferInnen sind ältere Zeitgenossen, sie steigen ungern auf die Leiter.
In fröhlicher Zweisamkeit schauen sich nun die beiden Parteien an. Nein, jetzt habe ich extra nachgeschaut, am Mast hinter der Düngerscheune, wo unser Dorf schon zu Ende ist, am Rande eines endlosen Feldes mit Sonnenblumen, versteckt sich noch ein Plakat der Freien Wähler, es fällt aber kaum auf. Die Ergebnisse der Sonntagsumfragen zeigten in der letzten Zeit ein düsteres Bild. Bei den Landtagwahlen in Sachsen kratzte die SPD an der 5% Grenze, die FDP existierte gar nicht mehr und die Grünen, sollten sie noch ein Prozentpunkt verlieren, wären auch raus aus dem Landtag. Dann hätte die Bundesrepublik in Sachsen ein Dreiparteien- Königreich mit AfD, BSW und CDU. „Die späte Rache des Ostens“ titelten die Zeitungen. Aber wofür denn? wunderte sich der Rest der Republik. Für die Wiedervereinigung? Die war doch besser gelaufen als man sich anfangs vorgestellt hatte. Hätte jemand damals dem Osten erzählt, ihre über alles geliebte Westmark werde bald abgeschafft und eine Ostdeutsche zu Bundeskanzlerin gewählt, hätten sie sich mit dem Finger an den Kopf getippt und dem Erzähler einen Arzt gerufen. „Was haben sie denn, es geht doch den Menschen im Osten gut,“ höre ich oft auf meinen Reisen, ich, der frisch zugezogene Brandenburger.
Meine Frau und ich wir haben zur Coronazeit Berlin verlassen und sind in Brandenburg heimisch geworden, in Brandenburg gab es wie man weiß, kein Corona. Ganz im Gegenteil haben die Brandenburger damals aus Funk und Fernsehen erfahren, dass sie schon immer richtig gelebt haben, mit einem hundert Meter Abstand zum Nachbar und niemandem die Hand geben.
Gelacht haben wir über die Hygieneverordnungen, gelacht und gelästert, die Bundesregierung war völlig aus dem Häuschen, sie wusste über die Viren genau so wenig wie über den Osten und zeigte es auch: keine Ahnung vom wahren Leben, mindestens von unserem Leben. Die Gesetze und Verordnungen waren vielleicht gar nicht dämlich, sie wurden bloß für ganz Deutschland verfasst, aber ganz Deutschland ist an jeder Ecke anders. Der Osten ist anders, Brandenburg ist anders. Besonders laut gelacht haben wir über die Ausgangssperre nach 22 Uhr. Wohin soll jemand gehen, um die Zeit? Wir haben kaum Straßenbeleuchtung, wenn ich mich nach 22 Uhr von meinem Haus entferne, bin ich nach fünf Minuten schon im Maisfeld und kann mit den Wildschweinen politischen Diskussionen führen. Die Kneipenschließungen haben uns auch nicht tangiert, wir haben gar keine Kneipe, es gibt ein „Haus des Gastes“ hinterm Wald, die nette Betreiberin hatte es gleich zu Beginn der Pandemie geschlossen, aus Angst vor chinesischen Fledermäusen. Sie hatte aber auch davor nur Freitags auf, die kleine Veränderung der Öffnungszeiten haben die Menschen in unserem Dorf gar nicht mitbekommen. Wir saßen oft an der Bushaltestelle. Wir haben keinen Bus, aber eine hübsche Bushaltestelle. Angeblich gab es hier vor langer Zeit, in den Neunzigerjahren, viele Kinder, die mit einem Schulbus zur Schule gefahren wurden. Und eines Tages fuhr der Schulbus los und kam nie mehr zurück. Seitdem haben wir keine Schule, kaum Kinder und keinen Bus. Aber eine gut erhaltene Bushaltestelle. Und manchmal im Herbst, wenn es davor geregnet hat, sitzen darin fremde Menschen, Pilzsammler, die sich im Wald verlaufen haben und an der falschen Haltestelle rausgekommen sind. Sie warten auf einen Bus. Die Einheimischen nicken den Fremden im Vorbeigehen zu, schauen auf die Uhr und sagen „Kommt gleich“.
Sie haben guten Sinn für Humor, ein bisschen Spaß darf sein. Das Leben macht immer bessere Witze als Fernsehen. Da standen im Ersten Programm neulich zwei Komiker, und machten Witze über den Osten. Der eine sagte, das „B“ bei der AfD stehe für Bildung. Aber das „B“ gibt es bei der AfD doch gar nicht. Wo ist denn da der Witz? Das hat bei uns keiner verstanden. Oft und gerne erinnern sich meine Nachbarn an ihre Heimat, die untergegangene DDR, die Titanic ihres Lebens. Nicht dass sie dieser Titanic nachtrauern oder sie vermissen würden, das nicht. Was vorbei ist, ist vorbei. Aber es sind viele Fragen offengeblieben. Vor allem die Frage, wo ist das ganze Zeug? In der DDR gab es jede Menge Zeug. Wo ist das alles hin? Mein Nachbar, ein Oberst im Ruhestand, erzählte, es gab früher in der DDR drei U Boote. Wo sind sie jetzt? Niemand weiß es. Alles verkauft und verraten, aber es geht uns gut, man kann nicht meckern, sagen meine Nachbarn.
Sie erinnern sich, wie der Schröder kam, als guter Kumpel ins Bundeskanzleramt. Er würde Kohls Versprechen - die blühenden Landschaften – wahr machen, dachten viele, die anfangs noch Kohls „Allianz für Deutschland“ (auch AfD) gewählt hatten. Schröder war für die Schwachen und die Unterbezahlten, er rüttelte an den Gittern des Bundeskanzleramts, lässt uns mitregieren! Zusammen mit dem Lafontaine und dem anderen, wie hieß er noch mal, der Dritte? Genau, Scharping. Und was hat es gebracht? Harz IV.
Auch 30 Jahre nach der Wiedervereinigung, die gleichen Gehälter kannste vergessen, ein Busfahrer in Düsseldorf und ein Busfahrer in Bautzen bekommen immer noch nicht den gleichen Lohn, obwohl sie die gleichen Busse fahren.
Die Ostdeutschen kommen sich vor wie die Burgenländer in Österreich, es werden unheimlich gern die Witze über die blöden Ossis und ihre Ostalgie erzählt.
Und im Westen habe ich tatsächlich Leute kennengelernt, die glauben, der Solidaritätszuschlag wird nur im Westen erhoben. „Wie lange noch sollen wir diesen Soli zahlen?“ regten sie sich auf. „Warum kann der Osten noch immer nicht ohne? Ist es DDR-Erbe?“
Apropos Erbe. Die Karte der Höhe der Erbschaftssteuer in Deutschland spricht eine klare Sprache, fast 90% dieser Steuer wird im Westen erhoben, als wären die Ostdeutschen allesamt Waisenkinder, die nichts zu vererben haben. Aber es geht uns gut, wir haben uns selbst gekümmert und wir sind nicht nachtragend. Nur ein bisschen. Und so kam die AfD, das A steht für Alternative. Zum alteingesessenen politischen Pack, gegen die da oben.
Und deswegen besteht das politische Programm dieser Partei fast komplett aus Hetze, Hetze gegen die anderen Parteien, gegen die abgehobenen Grünen, die uns erzählen wollen, wie wir essen, heizen und fahren sollen, Hetze gegen die großen bürgerlichen Parteien, die sich nie gekümmert haben und nur die Aufträge für die Städteverschönerung verteilt, natürlich an Firmen im Westen. Die die ostdeutschen Einkaufszentren errichteten, ohne die Einheimischen zu fragen, ob sie sie haben wollen. Die Gewinne wurden wie stets privatisiert, die Verluste verstaatlicht. In den meisten Einkaufszentren herrscht gähnende Leere, viele Geschäfte haben zugemacht. Und dann kam die BSW, unsere Sahra hat es noch feiner als die AfD gemacht, sie hat dem Osten den Zauberspiegel gezeigt, in diesem Spiegel ist der Osten noch jung und hat volle Haare.
So funktioniert das menschliche Gedächtnis, man vergisst schnell alles schlechte und malt das Gute besser aus, als es jemals war. Die Sahra liest den Menschen aus dem Märchenbuch DDR vor: kostenlose Kinderversorgung, vernünftige medizinische Betreuung, Bildung für alle, und das Wichtigste von allem: Den Weltfrieden, es lebe die deutsch-sowjetische Freundschaft. Die Russen sind gut, sie waren immer gut zu uns, also können sie keine Kriegsverbrecher sein, man muss sie nur höflich fragen. Bloß der abgehobene Westen weiß nicht Bescheid. Die Ostdeutschen wissen Bescheid. Viele von ihnen waren früher in Russland, noch in der Sowjetunion, sie haben an der Baikal-Amur Magistrale mitgebaut, am Lagerfeuer sowjetische Schlager mitgesungen. Es war eine sehr schöne Zeit. Sie waren alle Mitglieder der DSF und haben ihre Monatsbeiträge bis auf den letzten Pfenning bezahlt. Ihre Ausweise haben sie noch Zuhause. Sie bringen diese Ausweise zu meinen Lesungen, zeigen die Stempel und sagen: Hier, alles bezahlt. Und wo ist die Freundschaft hin? Die Sahra gibt an, den Schlüssel zur Tür zu haben, der geheimen Tür, die in die Vergangenheit führt. Dort hinter der Tür wartet der Weltfrieden auf uns und die guten Russen gießen Wodka ein und kochen ihre Pelmeni.
Sahras Partei wächst wie Hefeteig viel schneller als die AfD es konnte, ihre Veranstaltungen im Osten sind stets ausverkauft. Die Vielfalt ihrer Themen hat sich in der letzten Zeit allerdings verkleinert. Böse Zungen behaupten, nachdem das BSW fast 9 Millionen Euro Spendengelder aus anonymer Quelle bekommen hat, geht es bei den Versammlungen kaum noch um medizinische Versorgung und kostenlose Bildung, die meiste Zeit geht es um die guten Russen, also nur um Putin und seine Bande, das nervt, haben mir schon mehrere Anhänger gesagt. Sie wollen lieber wissen, was es mit Deutschland auf sich hat, wenn Amerika weg ist, China floppt und Russland sich in den Kriegen mit den eigenen Ex-Republiken verhakt, was wird mit uns? Was soll aus uns werden?
22.08.2024
Eines der Lieblingsbücher meiner Kindheit hieß „Drei Mann in einem Boot. Ganz zu schweigen vom Hund“ von Gerome K. Jerome. Ich bin am Freitag im Riverboat, mit drei Frauen und vier Männern, ohne Hund.
19.08.2024
13.08.2024
Unsere Nachrichten
Die Nachrichten sind in jedem Land anders. Meine deutschen Nachrichten sind süß. Aus irgendeinem Grund glaubt mein Google-Account, ich sei aus Baden-Württemberg und versorgt mich verlässlich mit lokalen News.
Zwei Tage berichtete mir die Badische Zeitung über das abenteuerliche Leben einer entlaufenen Wachtel in Lahr/ Schwarzwald. Zwei Tage verfolgte ich die Meldungen beim Frühstück mit einer Mischung aus Staunen und Interesse.
„Anwohner um Schlaf gebracht,“ hieß die Überschrift, „eine entlaufene Wachtel sorgt für Polizeieinsatz“.
Das arme Hühnchen hatte die halbe Nacht gegurrt, versteckte sich jedoch sehr gekonnt vor der Polizei und lieferte ihnen eine Verfolgungsjagd durch das Städtchen. Es wurde am frühen Morgen jedoch gefasst und zurück in die Wachtelfarm „zu ihren Freunden“ gebracht, wie die Badische Zeitung berichtete. Ich lachte anfangs über die Wachtelnachrichten, entwickelte jedoch nach zwei Tagen eine gewisse Abhängigkeit von der Geschichte und fühlte mich für das Schicksal des reisefreudigen Hühnchens mitverantwortlich. Die arme Wachtel! Konnte sie ihre Flucht ohne Schaden überstehen? Wie wurde sie bei den Freunden aufgenommen? Es kam aber nichts Neues mehr aus Lahr, also fing ich an, auf eigene Faust zu recherchieren und erst einmal „Wachtel“ zu googeln, erfuhr dabei „zehn Gründe, warum man Wachteleier nicht essen soll“ und dass, das deutsche Volleyballnachwuchstalent mit Nachnamen Wachtel heißt.
Ein Freund aus Kiew schrieb mir zur gleichen Zeit: „Tolle Nachrichten, wir haben endlich einen Kaffeeautomaten im Schutzbunker. Zweieinhalb Jahre hat es gedauert, bis die Zivilschutzbehörde darauf gekommen ist.“ Mein Freund ist kaffeeabhängig, er kann ohne Kaffee nicht leben, vergaß stets seine Thermoskanne in den Bunker mitzunehmen und bekam Probleme, wenn die Russen zu lange bombten. „Und was geht in Deutschland ab?“ fragte er. Ein anderer Kollege schrieb aus Israel, wie seine kleine Stadt sich an die ständigen Angriffe der Hisbollah gewöhnt hat. Die Einheimischen dort haben dank des endlosen Krieges einen ironischen Fatalismus entwickelt, sie wissen, es hat keinen Sinn zu zappeln, es kann Dich überall und zu jeder Zeit treffen. Sie bleiben ruhig. Die wenigen Touristen jedoch, die trotz der Reisewarnung nach Israel geflogen sind, versteinern, wenn die Warnsirene ertönt. Sie halten die Sirene für den letzten Ruf des Harmagedon (nach biblischer Offenbarung - das Ende der Welt“). Es steht nicht in der Bibel, wie man sich beim Ende der Welt verhalten soll. Der Tourist hat sich gerade einen Platz im Schatten, in einem netten Café ergattert, ein kühles Bier und eine schnelle Falafel bestellt, plötzlich jault die Warnsirene auf. Was tun? Zahlen oder nicht zahlen? Den Kellner rufen? Geld auf den Tisch schmeißen und wegrennen? Sich unterm Tisch verstecken? Der Tourist bleibt versteinert sitzen, bis der Kellner, die Ruhe in Person, erscheint, das Bier in die eine Hand, den Touristen in die andere nimmt und beides in den Bunker begleitet. Und die Falafel? fragt der Tourist etwas nervös, überwältigt vom israelischen Service. Die wird doch kalt, ich mache sie Ihnen später wieder warm, nach dem Ende der Welt, beruhigt ihn der Kellner und kassiert im Bunker ein gutes Trinkgeld.
Die russischen Nachrichten sind auch nicht ohne. Dort wird inzwischen täglich vom Krieg berichtet, doch der Krieg erscheint in diesen Nachrichten wie eine Naturkatastrophe am Rande des großen Landes, unangenehm, aber leider unabwendbar. Ein Fußgänger in Woronesch wurde von einer ukrainischen Drohne erwischt, drei Dörfer bei Kursk seien abgebrannt, sie waren aber sowieso kaum noch bewohnt, die Studenten der Moskauer Universität haben zwei Hektar Tarnnetze mit bloßen Händen fertiggestrickt. Die Topnachricht lieferte aber traditionell die Gartenfee: die fünf besten Rezepte, wie man frische Erdbeeren sicher für den Winter einkocht, damit alle Vitamine drinbleiben.
Britische Wissenschaftler haben herausgefunden, länger leben die Menschen, die gerne aufs Wasser schauen. In August beginnt meine Bade- und Lesesaison im Norden. Am Dienstag, den 30.07. bin ich mit einer Lesung in Sellin, im Cliff Hotel, meinem Lieblingshotel auf Rügen. Am 01.08. in Upstalsboom in Kühlungsborn, am 4.08. in Bad Zwischenahn und am 5.08. auf Sylt, im Meerkabarett. Alle Badegäste sind willkommen!
22.07.2024
Warum ist in Amerika die Präsidentschaftswahl immer eine Orgie, eine großartige Unterhaltung nach
besten Hollywood Rezepten und die ganze Welt schaut hin? In Deutschland dagegen husten sich nur irgendwelche Bürokratenglatzen an, von Merz bis September. Können wir nicht Bundestagswahl als eine neue Folge von „Wetten, das“ gestalten?
18.07.2024
Olympia
Nun ist es amtlich, die Russen werden die olympischen Spiele in Paris nicht sehen. Nachdem die beiden Staatssender darauf verzichtet haben, die Rechte für die Übertragung zu erwerben, haben auch die kleinen Sportkanäle auf die Übertragung der Spiele verzichtet. „Es seien nur 15 Sportler aus Russland unter einer neutralen Flagge nach Paris gereist, ziemlich unpatriotisch“ sagte der Pressesprecher des Kremls. „ Es sei natürlich ihre Entscheidung, keiner will die Sportler zu irgendetwas zwingen. Aber unter diesen Umständen sind wir der Meinung, dass das große russische Volk kein Interesse an diesem Sportereignis hat.
Die Führung hat entschieden und das Volk selbst wurde wie immer entmündigt. Das letzte Mal hatten die Russen vor 40 Jahren kein Interesse an den olympischen Spielen. Damals, 1984, beschloss die Sowjetunion, die Spiele in Los Angeles zu boykottieren, weil die Spiele davor von den 60 Ländern der westlichen Welt boykottiert worden waren. Und trotzdem wurde 1984 von den amerikanischen Spielen in der Sowjetunion berichtet. Das Sportkomitee schickte extra eine Gruppe Sportjournalisten nach Tallin, dort hatte der Eiserne Vorhang in der Mitte ein kleines Loch, in bestimmten Bezirken konnte man das finnische Fernsehen relativ gut empfangen. Also berichteten die Sportjournalisten, was in Los Angeles bei den olympischen Spielen vor sich geht. Heute scheint der Vorhang trotz Internet noch dichter geworden zu sein, das Land hält sich selbst für eine eigene Zivilisation und möchte mit eigenen Sportveranstaltungen den olympischen Spielen trotzen.
Nachdem die BRIKS - Spiele ins nichts gelaufen waren, weil kaum andere Sportler außer Russen zu den Wettkämpfen erschienen, werden nun große Sportevents aus der eigenen glorreichen Vergangenheit noch einmal dargestellt, zum Beispiel die berühmte Lebendschachparty auf dem Schloßplatz in Leningrad vom 20 Juli 1924. Gleich nach Lenins Tod, wurde nämlich auf dem zentralen Platz vor 8 000 Menschen die größte Lebendschachparty der Geschichte gespielt. Die Bolschewiken waren für ihre Vorliebe an riesigen Massenveranstaltungen bekannt. In dem Lebendschach von 1924 nahmen die Matrosen der Roten Flotte in ihren weißen Paradeuniformen teil, das Petrograder Regiment der Heimatverteidigung, das schwarze Uniformen trug, spielte für die Schwarzen. Die Springer saßen auf echten Pferden, sie wurden von der Reiterarmee zur Verfügung gestellt. Als Türme wurden Artillerie-Geschütze benutzt, die von Soldaten auf Befehl der Großmeister auf das Spielbrett gerollt wurden. Die Schachparty wurde zwischen den damals weltberühmten Großmeistern Romanowski und Rabinowitch gespielt, beide saßen auf Holzpodesten auf beiden Seiten des Schlachtfeldes und gaben ihre Spielzüge über eine Lautsprechanlage durch. Die Figur des schwarzen Königs wurde von zwei roten Kommandeuren und einem Fähnrich gebildet, die Dame war ein Mädchen in rotem Kleid, das eine Sichel in der Hand hielt. Für die Weißen spielten zwei Seekapitäne den König, die Rolle der Dame hatte die Ehefrau von Rabinowitsch übernommen. Das Spiel dauerte fünf Stunden und endete mit einem Remis auf Vorschlag der Weißen.